Vergebung

 
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Vergeben, Vergebung finden – in meinen Ohren klingen diese Worte zunächst altmodisch und überholt. Sofort drängen sich Erinnerungen an den Religionsunterricht und die Beichte auf, an eine über mir stehenden Macht, die über mich richtet, mir Buße verordnet und dann vergibt. Doch in der Geschichte „Opfer und Täter“ finde ich Aspekte, die Schuld anders definieren.

 

SELBSTVERANTWORTUNG

Meine Großmutter hat meine Schuldzuweisungen am Schicksal ihrer Tochter (meiner Mutter) weder angenommen noch zurück gewiesen. Vielmehr hat sie mir und sich selbst eine Antwort gegeben, „Ich hab’s nicht anders gewusst“! In diesem einfachen Satz stecken genau betrachtet drei Erkenntnisse:  

  •  das Wissen um ihren Beitrag

  • das Bewusstsein darüber, dass sie im jeweiligen jetzt nach bestem Wissen, also richtig und somit frei von Schuld gehandelt hat und

  • dass sie im aktuellen Jetzt (unseres damaligen Gesprächs) ein anderes, erweitertes Bewusstsein hatte, das ihr damals nicht zur Verfügung stand.
     

Nüchtern betrachtet: recht banale Erkenntnisse. Doch da gibt es noch etwas, was über das Gesagte hinaus verweist. Die Art und Weise, wie sie reagiert hat – achtsam nach einer aufrichtigen Antwort tastend. So glaubwürdig in ihrem Inneren, bei sich selbst suchend, dass sich all meine Vorwürfe im Nichts auflösten. Vergeben heißt vor allem

 

SICH SELBST VERGEBEN

  • heißt, Schuldgefühle mit Antworten aus dem Herzen aufzufangen. Dazu braucht es: 

  • die Bereitschaft, das eigene Spürwissen zuzulassen, es ernst zu nehmen und radikal darnach zu handeln,

  • den Mut, auf Ausreden zu verzichten, die den Opferstatus nähren oder erhalten (zum Beispiel: meine Mutter ist schuld, weil…..)

  • die Komfortzone kollektiver Glaubenssätze  zu verlassen und den Rückzug auf wissenschaftlich abgesegnete Theorien aufzugeben, die dem „Wenn-Dann“-Schema folgen. Gerade die Mutter-Kind-Beziehung ist ein Sammelbecken für psychologische untermauerte Vorstellungen über richtig und falsch…

  • die Einsicht, dass ich als menschliches Wesen ständig in Entwicklung bin, dass Bewusstseinsentwicklung nie ans Ende kommt, sondern „Work in Progress“ ist.