Schreiben bewegt

 
Neuinsleben-Wien-Gruppen-für-Angehörige-bei-Tod-und-Suizid-Margret-Katsivelaris-Psychotherapeutin-Sozialarbeiterin-Warum-Wieso-Wohin-Wie-Weitermachen-nach-einem-Suizid-Neuanfang-nach-Suizid-Neubeginn-starten-Jetzt-Sein-Trauer-den-Spuren-des-Suizids-…

Mit dem Foto von N. in der Hand sitze ich wie versteinert im Wohnmobil und versinke wieder in den Zustand aufgewühlter Starre. Mein Blick bleibt an dem Stift hängen, der vor mir auf dem Tisch liegt. Wie ferngesteuert ergreife ich ihn und hole Papier.

Ich beginne zu schreiben. So selbstverständlich als hätte ich nie etwas anderes vorgehabt. Und gleichzeitig ohne konkrete Absicht.
Ich schreibe an N. Alles, was mir durch den Kopf geht. Formlos und ungeordnet. Ich stelle ihm die Fragen, die ich mir und uns schon zig-mal gestellt hatte, seit er gegangen war. Jetzt, wo ich sie aufschreibe, verflüchtigt sich das gierige Lauern auf Antworten. 

WAS ICH SCHREIBE IST NEBENSÄCHLICH. DASS ICH SCHREIBE IST WICHTIG.

Ist Bewegung aus der Starre.
Spontanes Schreiben als Werkzeug, mit dem ich Gefühle an meinem logischen Verstand vorbeischleusen und ihnen die Form geben kann, die ihrem Wesen entspricht.  Sie sind im geschriebenen Wort besser aufgehoben als im verschwiegenen und besser als im gesprochenen. Schweigen hält sie zurück und das Reden aus der Trauer heraus ertragen andere oft nicht. Das macht alles noch schwieriger.

So viele Impulse aus meinem Inneren! Intensiv der Drang, ihnen nachzugeben, sie ernst zu nehmen. Von nun an gehören Schreiben, Natur und Meer für mich zusammen.

WARUM?

Wie soll ich das ausgerechnet dir verständlich machen?
Du warst nie am Meer.
Und geschrieben hast Du - da bin ich ziemlich sicher – auch nicht viel.
Aber Du bist gerne im Garten gewesen, auf den Feldern und im Auwald. Hast die Stille genossen und das Leben, das aus ihr herausquillt.
 

Das Schreiben schöpft aus der Fülle der Stille und bringt sie zum Fließen.
Das Meer ist Bewegung von absoluter Ruhe bis hin zu lärmendem Tosen.
In der Natur enthüllt sich das echte Sein. 

Ganz nah an der Natur sein, ganz nah mit Pflanzen und Tieren, am Meer und mit dem Wind. Ganz nah an und mit allem, was fraglos und selbstverständlich stattfindet, was einfach IST

SCHREIBEN, NATUR, MEER, STILLE SIND AUSDRUCK VON SINNLICHKEIT UND FÜLLE! VON DER FÜLLE DES LEBENS! 

Sie förderte eine unbändige Lust am Spielen mit Worten zu Tage, besonders mit „schweren“ Themen:

Du kannst dir nicht vorstellen, wovon ich rede? Nimm zum Beispiel das Wort „tot“. 
Wer will schon damit zu tun haben?
Ob ich wollte oder nicht – ich hatte damit zu tun. Mit allem Drum und Dran: Verlust, Schmerz, Trauer, Ende,…
Während ich es wieder und wieder vor mich hin malte mit Filzstiften, fand ich Gefallen an seiner Gestalt. 
Die kugelförmige Weite des „o“, links und rechts gehalten von den Pfeilern der „t“ verwandelte sich in ein Tor. Wohin es mich führt? 

Gedankenfreiheit – unverfälscht, pur, authentisch. Unverzichtbar für die Reise im  Niemandsland zwischen Leben und Tod. Gedankenspiele mit dem Endlosen, dem Weiten, dem Tiefen - wohltuend und tröstlich! 
Ich bleibe dran, am Spielen mit Zeichen, Wörtern  und Sätzen.

SPIELEN! NICHT BEDENKEN!